Altes Haus.

Noch steht es da. Da auf dem Hügel. Während die Zeit an ihm zerrt. Einst war es schön, das Haus. Es war stolz. Es war voller Charakter, voller Leben. Es war beeindruckend. Es war lebendig, das Haus. Es war nicht neu, nicht modern, aber zeitgemäß. Es war gegenwärtig, das Haus. Jetzt ist es nur noch … Weiterlesen Altes Haus.

Lena rennt.

Sie rennt und rennt, rennt und rennt, und während sie rennt, hört sie es dumpf in ihren Ohren pochen, hört den Rhythmus ihres Herzschlags, er klingt wie ein elektronischer Beat, und sie denkt an den Film Lola rennt und an die treibende Musik darin und daran, dass Lola rennt, weil sie Geld besorgen will, das … Weiterlesen Lena rennt.

Wir bluten aus.

Es beginnt mit einem Tropfen, wie jede Sturmflut, jeder Wolkenbruch, jede Überschwemmung mit einem Tropfen beginnt. Auf den ersten Tropfen folgen weitere Tropfen, und mögen einzelne Steine zu Beginn noch heiß und trocken bleiben, werden sie zunehmend abgekühlt und überschwemmt. Die Flüssigkeit dehnt sich aus nach allen Seiten, erobert neue Gebiete, überschreitet jede Grenze, nimmt … Weiterlesen Wir bluten aus.

Permafrost.

Es ist kalt geworden, ungemütlich, garstig, es knirscht und knackt im Gebälk. Die Kälte dringt unerbittlich durch ihre Seidenpapierhaut, tausend kleine Pfeile durchstoßen die dünne Schicht, graben sich tief hinein in ihr Innerstes, klammern sich an ihre Knochen. Ihr Skelett versteift sich, ihre Muskeln verhärten sich, jeder Atemzug scheint nach ihrem Herz zu greifen. Sie … Weiterlesen Permafrost.

Wer du bist.

Wer du bist? Du bist deine Hände und deine Füße. Du bist deine Augen und deine Ohren. Du bist deine Haare und wie du sie trägst. Du bist dein Geruch und dein Geschmack. Du bist deine Zähne und wie häufig du sie putzt und ob du Zahnseide verwendest. Du bist deine Zunge, deine Lippen, dein … Weiterlesen Wer du bist.

Null zu null.

Das Display zeigt 0:00. Man drückt Play. Zuerst ein paar Klaviertöne, ein zurückhaltendes Schlagzeug, dann die Stimme von Damien Jurado, der davon singt, sich heute Abend zurückzuziehen. Tonight I will retire. Die Reise ist bald vorüber. In gewissen Momenten vermag ein solches Lied zu Tränen zu rühren, auch wenn Damien Jurado davon singt, keine Tränen … Weiterlesen Null zu null.

In alten Mauern.

Knarren im Gebälk, hier ein Knacken, dort ein Knirschen. Die Wände tragen tiefe Furchen, und in den Furchen sammeln sich Staub und Schmutz und tote Zeit. Durch die kleinen Fenster dringt entsättigtes Licht in die Räume, malt monochrome Bilder. Sie blinzelt. Ihre Schulter schmerzt, und wenn sie ihren Kopf neigt, hört sie ein leises Klicken, … Weiterlesen In alten Mauern.

Da.

An der Kantonsstraße zwischen Speicher und Teufen im Appenzellerland stehen bei der Bushaltestelle mit der hübschen Bezeichnung «Abzw. Obertobel» zwei kleine Garagenhäuschen einträchtig nebeneinander, eines braun mit weißem Tor, eines weiß mit braunem Tor, und am braunen Garagenhäuschen hängt über dem weißen Tor ein kleines Emailschild. Das Schild ist ebenfalls weiß, und in blauer Schrift … Weiterlesen Da.

Ausfransen.

Sie waren doch Hüter und Helden. Waren so gross und so gescheit. Waren Beschützer und Betreuer. Waren so lebendig und so lustig. Waren Lehrer und Lenker. Waren so warm und so wachsam. Waren Heim und Herz. Waren so geistvoll und so gegenwärtig. Sie waren doch all das. Und so viel mehr. Was bleibt von allem? … Weiterlesen Ausfransen.

Hier und jetzt.

Hier und jetzt ist alles in Ordnung. Hier und jetzt sind wir genau richtig. Hier und jetzt kann uns nichts passieren. Hier und jetzt kann uns niemand etwas tun. Hier und jetzt sind wir ganz bei uns. Hier und jetzt schließen wir die Augen und sehen klarer. Hier und jetzt ist alles neu. Hier und … Weiterlesen Hier und jetzt.

Im Hinterzimmer.

Irgendwo in einem Hinterzimmer in ihrem Kopf springt ein Hund an ihr hoch, und der Hund hat schmutzige Pfoten, schrecklich schmutzige Pfoten, und die schmutzigen Pfoten lassen Spuren auf ihrem hellen Kleid zurück, und sie denkt, na toll, jetzt ist mein Kleid schmutzig, wie sieht das denn aus, und das alles nur wegen diesem dummen … Weiterlesen Im Hinterzimmer.

Alles so leicht.

Die hohen Grashalme neigen sich leicht im Wind und der Wind ist warm und die Wärme ist spürbar auf der Haut, die Sonnenstrahlen dringen durch die Poren, durch Fleisch und Blut bis tief hinein ins Innerste, und die wenigen Wolken hängen in Fetzen am Himmel, jede von ihnen wirkt wie eine wilde und freie Kreatur, … Weiterlesen Alles so leicht.

Kaninchen.

Du bist das Kaninchen im Scheinwerferlicht, wie in dem Song, den Thom Yorke singt, und im Musikvideo zum Song läuft ein Mann durch einen Straßentunnel, wird immer wieder angefahren, fällt hin, wird beschimpft, und schließlich stellt er sich mitten auf die Straße, mit nacktem Oberkörper, breitet die Arme aus und wird von einem Auto erfasst, … Weiterlesen Kaninchen.

Im Boden ist ein Loch.

Wenn sie auf ihre nackten Füße schaut, sieht sie, was die meisten Menschen sehen, wenn sie auf ihre nackten Füße schauen. Zehn Zehen, zwei Mittelfüße, darüber zwei Schienbeine, überhaupt zwei Beine. Sie ist eine Zweibeinerin, und beide Beine funktionieren wie vorgesehen. Sie steht auf diesen beiden Beinen auf dem Boden. So kennt sie ihr Leben. … Weiterlesen Im Boden ist ein Loch.

Hut ab.

Er war ein guter Mann. Aufrecht, rechtschaffen, redlich; solche Adjektive entsprachen ihm, auch wenn er abgewehrt hätte, denn bescheiden war er auch. Sein Leben lang hatte er als Lastwagenfahrer gearbeitet, war loyal und verlässlich gewesen, hatte seine Arbeit mit Stolz und Enthusiasmus verrichtet, auch wenn sie seine Gesundheit ruiniert hatte. Sein Rücken war so ausgeleiert … Weiterlesen Hut ab.

Der Gast.

Man hat ihn nicht eingeladen. Man hat ihn nicht zu sich gewinkt, hat ihm nicht die Tür geöffnet, hat ihm keinen roten oder andersfarbigen Teppich ausgerollt, überhaupt hat man ihm nichts dargebracht, sich ihm nicht einmal zugewendet. Man hat ihn in keiner Weise glauben lassen, er sei willkommen. Dennoch sitzt er nun da, ein weiteres … Weiterlesen Der Gast.