Knarren im Gebälk, hier ein Knacken, dort ein Knirschen. Die Wände tragen tiefe Furchen, und in den Furchen sammeln sich Staub und Schmutz und tote Zeit. Durch die kleinen Fenster dringt entsättigtes Licht in die Räume, malt monochrome Bilder. Sie blinzelt. Ihre Schulter schmerzt, und wenn sie ihren Kopf neigt, hört sie ein leises Klicken, gerade so, als wäre etwas defekt oder zumindest beschädigt.
Defekt. Beschädigt. Je länger diese Wörter in ihr klingen, desto fürchterlicher wirken sie.
In der Luft hängt der Geruch von alten Mauern, und in den alten Mauern steckt die Feuchtigkeit aus längst vergangenen Zeiten. An manchen Stellen hängen Farbreste in Fetzen von den Wänden, häufig zeigt sich der nackte Stein. Balken und Holzwände sind übersät von dunklen Flecken, von Pilzen oder ähnlichen Organismen. Sie lässt ihre rechte Hand über ihren linken Oberarm gleiten und ist nicht sicher, was sie intensiver spürt; die Haut unter ihren Fingerkuppen oder die Fingerkuppen auf ihrer Haut. Ihr ist klar, dass die Haut und die Fingerspitzen zum gleichen Körper gehören. Aber es fühlt sich nicht so an.
Ihr Körper ist nicht so alt wie das Haus, in dem er sich befindet. Vielleicht ist das ein Trost.
Draußen zerrt der Wind an Fensterläden, drückt gegen die dünnen Scheiben, dringt durch kleine und große Ritzen ins Innere. Sie fragt sich, ob ihre Poren mit der Zeit grösser und weiter werden, ob die Kälte und der Schmutz und das Gift der Welt immer stärker in sie eindringen, sie allmählich verseuchen und innerlich zersetzen. Sie schließt die Augen und zieht sich zurück in eine Höhle zwischen Herz und Bauch.
Früher fror sie auf der Haut. Heute friert sie in den Knochen.
An der Wand hängt ein Spiegel, zerborsten, zerschossen, tausend kleine Fragmente, und wenn sie in diesen Spiegel schaut, sieht sie sich in tausend Variationen, sieht tausend Entwürfe der gleichen Person, doch keiner davon ist vollständig. Einige Scherben haben sich gelöst, liegen auf dem Boden und haben Leerstellen im Spiegel zurückgelassen. Das sind Lücken im Spiegelbild, und alles, was sie sehen kann, ist ein bruchstückhaftes Ich.
Erneut ein Knarren im Gebälk, ein weiteres Knacken, ein weiteres Knirschen.
Dieses Haus ist ihr Haus. Und das Haus zerfällt.
Dieser Körper ist ihr Körper. Und?
