Es ist wichtig, dass man darüber redet. Es ist wichtig, dass man die Dinge ausspricht, sie diskutiert. Es ist wichtig, dass man sich auf die Meinung des Gegenübers einlässt und sie mit der eigenen vergleicht. Dass man sich auf die eigenen Argumente berufen kann, ohne anderslautenden Wortmeldungen gleich die Existenzberechtigung abzusprechen. Es ist wichtig, dass ein Diskurs stattfindet, denn nur in der kommunikativen Auseinandersetzung kann man sich vom Treibsand des eigenen Standpunktes lösen und auf neutralem Untergrund neue Entdeckungen machen. Es ist wichtig, dass man die Konfrontation zuzulassen vermag, denn nur so ist ein Konsens möglich. Es ist wichtig, dass man offen ist, vorurteilsfrei, aufrichtig, respektvoll. Eben, es ist wichtig, dass man darüber redet.
Doch manchmal spielt es keine Rolle, dass es wichtig ist. Manchmal ist alles, was man sagen kann, ein Nein. Ein lautes, schnaubendes, fluchendes, sich die Haare raufendes, mit den Augen rollendes, übelriechendes, wütend knurrendes, die Fäuste ballendes, verdammendes, ärgerliches, die Flinte ins Korn und das Handtuch werfendes, entnervtes, desillusioniertes Nein. Und dieses Nein wiegt man dann in den Händen, dreht es hin und her, betrachtet es von allen Seiten, hält es gegen das Licht, mustert die Flächen und Kanten. Und man fragt sich, was es bedeutet, dieses Nein.
Man fragt sich, warum es so ist, dass man manchmal nicht darüber reden kann. Dass kein Wort, das man sagt, auf fruchtbaren Boden fällt. Dass jegliche Kommunikationskultur von einem diffusen Lärm übertönt wird. Dass man sich so weit voneinander entfernt, dass man sich nicht einmal mehr in die Augen schauen kann. Man fragt sich, wohin es führen mag. Und was es mit uns macht.
Es ist wichtig, dass man darüber redet. Und vielleicht wäre es auch wichtig, darüber zu reden, warum man nicht darüber reden kann. Doch wahrscheinlich lauert es auch dann in der Ecke, das Nein, rollt mit den Augen und rauft sich die Haare.

Hier scheint mir eine Art phänomenologische Betrachtung gewisser Streitgefühle und -gedanken vorzuliegen, wobei ich mich frage, inwieweit das Allemeingültigkeit beanspruchen zu scheinende „[m]an fragt sich“ des Textes auch in der Wirklichkeit wiederzufinden ist. Ich meine, wenn die gefühlsmäßige Verneinung so stark und ausgeprägt ist wie im zweiten Absatz des Textes, so ist die Vernunft doch für gewöhnlich längst verstummt (oder zumindest kaum mehr wahrzunehmen). Für eine – unverzügliche? – Reflexion auf höherer Ebene scheinen mir da die Voraussetzung doch eher ungünstig.
Ich meine, auch Gefühle erzeugen „Lärm“, der erst einmal von der Vernunft überwunden sein will. Der Schlußsatz scheint mir dann auch die Frage zu stellen, ob diese Überwindung überhaupt je möglich ist!
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Die verstummte Vernunft, die du ansprichst, war zweifellos eine der Motivationen für den Text, in vielen Diskussion ist sie gar nicht mehr wirklich präsent, oder sie hockt schweigend in einer Ecke und verfolgt das Geschehen mit einem Schulterzucken.
Herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte!
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man, wie gut du das beschrieben hast, diese himmehlhochjauchzende Vezweiflung die nie niemals eine Auflösung finden kann
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte. (Ich bin diesbezüglich ja froh, dass ich keine Haare mehr hab; muss ich auch nichts raufen…)
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Gerne lieber Disputnik
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