Diese Wellen. Dieses Wasser, Unmengen davon. Diese Uferlosigkeit, diese Weite. Diese verdammte Weite.
Zu Beginn lebte er an einem jungen Bach, dann an einem schmalen Fluss, schließlich an einem kleinen See. Er mochte das Wasser schon immer, genoss dessen Klarheit und Dynamik. Einmal paddelte er mit einem Kanu über den gesamten See. Es war durchaus anstrengend, zwischendurch zweifelte er daran, dass er es schaffen konnte. Doch als er die andere Uferseite dann erreichte, verspürte er eine eigentümliche Befriedigung. Da war diese gewisse Sicherheit, die Distanzen waren greifbar. Vielleicht ging es auch um Kontrolle, um Übersicht. Das Zurückpaddeln jedenfalls, es war bedeutend einfacher.
Und jetzt steht er da, am Meeresufer. Er meint, den Geruch von totem Fisch zu erkennen. Die Luft ist salzig und kühl. Vereinzelte Wellen überschlagen sich, rollen mit schaumigen Kronen an Land. In der Nähe prallt das Wasser mit unbändiger Wucht auf Felsen. Die Szenerie ist zweifellos beeindruckend, sogar schön. Doch er ist nicht begeistert, und das Gefühl der Ehrfurcht wird überlagert von einer lähmenden Ohnmacht. Diese Wellen. Dieses Wasser. Diese verdammte Weite.
Er sieht kein Land, da ist nicht, woran sein Blick sich halten könnte, und selbst wenn er das Kanu noch besäße, er ließe es nicht zu Wasser. Er mag nicht schwimmen, sich nicht einmal treiben lassen; nicht nur, weil das Wasser kalt ist. Er betrachtet die Wellen und ertappt sich dabei, wie er sie beneidet, um die Klarheit und Zielstrebigkeit ihrer Bewegungen und das unbeirrbare Vorwärtsdrängen. Er bewegt seine Zehen in den Schuhen, die ihm plötzlich viel zu groß scheinen.
Er bemerkt, wie seine Unterlippe ein wenig zittert. Er redet sich ein, dass es nur die Kälte ist. Er zieht den Reißverschluss seiner Jacke hoch, schiebt die Hände in die Taschen. Dann starrt er wieder aufs Meer hinaus. Da sind keine Antworten mehr, keine Erklärungen, keine Richtung, keine Säulen und Pfeiler. Nur diese Wellen. Dieses Wasser, Unmengen davon. Diese Uferlosigkeit, diese Weite. Diese verdammte Weite.
Sie kann auch ängstigen, diese Weite, diese grenzenlose Weite, das weite offene Meer, es mordet und liebt – ganz nach Belieben.
Orkanartige Böen und leise säuselnder angenehm kühlender Wind, alles hat es drauf, das unermeßlich weite und nach allen Seiten hin offene Meer…
Wie klein und hilflos ist dagegen das Menschenwesen, das sich da hinauswagt
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Oh ja, wir sind und bleiben klein, und das weite Meer, es führt uns dies beeindruckend vor Augen…
Herzlichen Dank dir, liebe Bruni, fürs Lesen und für deine Worte! Liebe Grüsse…
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Wundervolle Zeilen!!
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Vielen herzlichen Dank dir, lieber Finbar!
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https://finbarsgift.wordpress.com/2012/09/07/shades-of-grey-green-blue-black-and-white/
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Freiheit und Weite bedeutet nicht immer Glück und Zufriedenheit. Wenn es im ersten Moment auch so zu scheinen vermag.
Sehr schön geschrieben….
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Ja, manchmal kann die Weite wohl auch überfordern… Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
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