Männer haben nur Brüste im Kopf. Ein Vorurteil, das selbstverständlich nicht stimmt. Männer haben, wenn es um eine Frau geht, auch deren Beine im Kopf, ihren Po, ihre Hüften. In jedem Fall aber kreisen die Gedanken von Männern lediglich um einzelne Fragmente der Frau. Das klingt natürlich sexistisch, ist aber vor allem natürlich. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Männer gar nicht anders können.
Wenn wir etwas betrachten, verarbeitet unser Gehirn es entweder als ein großes Ganzes, was als globale Verarbeitung bezeichnet wird. Oder es erfasst eine Sammlung einzelner Teile, was einer lokalen Verarbeitung entspricht. Lokal verarbeitet werden vornehmlich Objekte, zum Beispiel Autos oder Gebäude. Die globale Verarbeitung tritt derweil auf, wenn es um Menschen geht. Zumindest dann, wenn diese Menschen männlich sind. Die Wissenschaftlerin Sarah Gervais meint dazu: «Wir teilen Menschen eigentlich nicht in Teile ein – außer, wenn es um Frauen geht. Frauen werden genauso wahrgenommen wie Objekte.»
Gervais ist Professorin für Psychologie und Autorin einer Studie, die sich mit diesem Phänomen befasste. In einem Experiment erhielten die Probanden Ganzkörperfotos von Frauen und Männern zur Ansicht. Nach einer kurzen Pause mussten sie aus zwei Bildern jenes auswählen, welches die Person aus dem ersten Foto zeigte. Dabei wurden aber manchmal statt Ganzkörperfotos lediglich Bildausschnitte vom Brust- oder Hüftbereich gezeigt. Das Resultat: Waren Frauen auf den Fotos abgebildet, wurden sie eher anhand der Bildausschnitte wiedererkannt als anhand des gesamten Körpers. Bei Männern verhielt es sich genau umgekehrt. Die Wissenschaftler kamen zum Schluss, dass Frauen als Verbindung von Einzelteilen gesehen werden, was eine mögliche Erklärung sei, weshalb Frauen häufig als Sexobjekte gezeigt und wahrgenommen werden.
Allerdings sind es nicht ausschließlich Männer, die nur Brüste im Kopf haben. Auch Frauen betrachten andere Frauen als Ansammlung einzelner Teile. Gervais versucht sich an einer Interpretation: «Es könnte verschiedene Gründe haben. Männer machen es vielleicht, weil sie an potenziellen Partnerinnen interessiert sind. Frauen hingegen könnten eher eine Konkurrentin sehen, mit der sie sich möglicherweise vergleichen wollen.»
Warum dies so ist, ob es angeboren ist oder lediglich angewöhnt wurde, ist bisher noch nicht wissenschaftlich erforscht. Doch selbst wenn es in der Natur des Menschen liegt, eine Frau wie ein Objekt wahrzunehmen – sein Verhalten und seine Taten bestimmt Mann dann doch immer noch selbst.
Dieser Text erschien als Kolumne im L-Magazin, Ausgabe 11.
Interessant, konnte ich so aber noch nicht feststellen. Auch wenn es sich evolutionsbiologisch plausibel anhört (aber das hat die Evolutionsbiologie so an sich):D
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Herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Gedanken!
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Hm. Ich habe schon von dieser Studie gelesen, aber die exakt gegenteilige Interpretation gehört – wir sehen Frauen als Objekte, weil sie häufig als solche dargestellt werden.
Aber das ließe sich ja leicht überprüfen, nicht wahr? Wir müssten nur ein paar Generationen lang auf die objektifizierende Darstellung von Frauen verzichten und den Test dann nochmal machen. Gewinnen würden wir auf jeden Fall dabei.
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Vielen lieben Dank für deine Worte… Wahrscheinlich sind beide Interpretationen nicht unwahr. Und auf die Objektivierung von Frauen zu verzichten, ja, das würde sich lohnen, unbedingt, nicht nur für Frauen. Ob man (und vor allem Mann) eben darauf verzichten mag, muss aber jedermann selbst entscheiden. Und vor allem geht es wohl nicht nur darum, was die Augen wahrnehmen, sondern darum, was im Kopf mit dem Wahrgenommenen passiert…
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Das stimmt natürlich – und das kann nur jeder selbst beeinflussen.
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eben habe ich versucht, mir Gemälde vorzustellen, die ich schon in Museen gesehen habe. Ich konnte einige sofort abrufen und es sind auf jeden Fall menschliche Objekte, die zuerst aus der Erinnerung kommen. Die Details ändern sich mit jedem Gemälde und bei Dix z.B. sind es zuerst die Gemälde selbst, dann die Figuren und dann die Gesichter und danach erst Einzelheiten.
Dann kommt es darauf an, WIE der Maler gemalt hat. Er hat vermutlich das ins rechte Licht gerückt, was ihm besonders wichtig war u. bei einem Könner ist es dann deutlich zu erkennen, auf was er sein Augenmerk gelegt hat 🙂 und genau das gerät in den Blickpunkt des Betrachters.
In der Natur ist es wohl ähnlich, das, was betont wird, wird sofort gesehen und nicht nur von männlichen Wesen *g*
Frauen, die andere Frauen nicht mehr anehnen, sind vielleicht zu sehr in sich selbst verliebt und was verpassen sie da nicht alles…
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Vielen lieben Dank für deine Gedanken, liebe Bruni…
Dann ist es also eine Sache der Betonung? Frauen betonen einzelne Stellen ihres Körpers stärker als Männer und deshalb bleiben oft nur diese einzelnen Teile haften? Oder ist es die Natur, die betont?
Und ja, Frauen und auch Männer, die andere Menschen nicht ansehen, weil sie zu sehr in sich selbst verliebt sind, verpassen eine Menge. Eigentlich fast alles…
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Die Natur hat an der Frau den Busen betont, warum nur?
*lächel* Na ja, wegen der Arterhaltung wohl, denn ist er nicht das Symbol für Mütterlichkeit
und die natürlichste Nahrung der Welt?
Also auch das hervorstechende Attribut für Weiblichkeit…
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Zweifellos, liebe Bruni, warum die Natur auf diese Weise betont hat, scheint so irgendwie erklärbar… Doch erklärt dies auch die fragmentarische Wahrnehmung, wie in der wissenschaftlichen Studie vermutet? Und bin ich eigentlich abnormal, wenn ich Frauen wie Männer als ganze Menschen wahrnehme, nicht als Ansammlung von einzelnen Teilen? Hmm… Jedenfalls nochmals vielen Dank für deine Gedanken dazu…
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Wenn ich in die Staatsgalerie gehe
und mir Gemälde ansehe, von wem auch immer,
dann picke ich mir sofort „gewisse“ Details heraus,
zu festigen und vertiefen des Augenschmaus‘
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Geschieht dies auch, wenn da männliche Wesen abgebildet sind? Und betrachtet man Menschen im Kontext der Kunst auf andere Weise als im Kontext der Natur? Jedenfalls herzlichen Dank fürs Lesen und für deine Worte, lieber Finbar…
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*lach*, tja, ich kann bestätigen, daß ich mir auch herauspicke, aber aus einer anderen Sicht eben anderes 🙂
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